Sonntag, 29. Mai 2016

der Herr der Fliegen

+++Pensa+++Saratow+++Kamyschin+++Wolgograd+++

Krass - jetzt sitze ich schon seit zwei Monaten im Sattel.
Ganz klammheimlich hat sich die Umgebung verändert. Die Landschaft, die Menschen, die Straßen und Städte.
So Stück für Stück.
Deswegen fühle ich mich auch nicht fremd, da diese Anpassung so schleichend voran geht.
Anders wäre es, wenn man sich in einen Flieger setzt und in eine fremde Stadt katapultiert wird.
Denke ich zumindest.

Mein Russisch konnte ich schon ein wenig aufbessern. Ok - bei den meisten Gesprächen geht es darum, wo ich her komme, wo ich hin will, was ich zu essen will, ob ich einen Beutel für meinen Einkauf brauche und was dieser kostet.
Aber darin bin ich schon nen Fachmann.
Damit ihr auch was davon habt, gibts hier die einfachsten russischen Vokabeln:
belegte Schnitte - "buttterbrody"
Wegstrecke- "marschrut"
Böller und Rakten - "feyerwerki"
und mein Favorit: Spiegelei -"eyschnitzel".

Sonntag war der vorerst letzte Tag unsere gemeinsamen Radkarawane. Die beiden haben nen knappen Visaplan und müssen am 1.6. in Kasachstan einreisen. Ich hab noch ein wenig Zeit und deshalb beschlossen, noch nen kleinen Umweg nach Wolgograd und ans kaspische Meer zu starten.
Regen und Sonnenschein wechselten sich ab als wir abends in Pensa einritten. Russisch traditionell bei ner riiiieeeesigen amerikanischen Pizza und nem Paulaner Hefeweizen im Restaurant "Bierhaus" begossen wir unsere gemeinsame Woche. Wir werden uns wahrscheinlich irgendwo in Kasachstan wieder treffen. Soweit der Plan.
Als Abschiedsgeschenk bekam ich eine Fahrradflasche und verteilte ihnen MAMPI-Anhänger.
Die beiden radeln jetzt auch für eine gute Sache - der Weiterverbreitung des MAMPEtums.

Für mich ging es weiter Richtung Saratow.
Mit 500 000 Einwohnern - ne russische Kleinstadt. Klatschnass und voller Schlamm ließen sie mich ins Hostel. Allerdings habe ich die Rezeptionistin heimlich beobachtet, wie sie die Wanne geschrubbt hatte, nachdem ich mit Duschen fertig war.
Auch musste ich feststellen, dass mich mein neuer Haarschnitt nicht russischer wirken lässt...
"Wie Scooter siehst du aus!" meinte ein Typ.
Und das Schlimme daran ist - es sollte ein Kompliment sein.
Na danke schön.
Sein Kumpel saß im Schlafraum und aß Grillhähnchen. Als wir alleine waren strich er mit seinem Finger über die Klinge seines Messers, schaute mich an und sagte "NEMEZ!!!" . Von ihm ging allerdings keine Gefahr mehr aus. So wie der schielte würde er sich wahrscheinlich eher seine beiden Arme versehentlich amputieren, als irgendeinen anderen Schaden anzurichten.

Die nächsten Nächte verbrachte ich dann lieber im Zelt. Die Straße nach Wolgograd ist zwar nen bisschen eng aber dafür nicht so stark befahren. Man muss nur aufpassen, dass man nicht in die Situation kommt, das zwei LKWs und ich auf gleicher Höhe sind.
Das verliert man.


Alle10 bis 20 km gibts nen Kaffee wo man für 3 Euro ausreichend Pfannkuchen und Tee dazu bekommt und neben den Fernfahrer auch allerhand andere Leute trifft. Die beiden auf dem Foto sind unterwegs zur Krim um dort nen paar Wochen Paragliding zu machen.

Ein wenig zermürbend sind die vielen Hügel am Wolgaufer. Ich habe es längst aufgegeben mich über eine Abfahrt zu freuen, da unmittelbar danach ein fieser Anstieg wartet.

Schon seit ein paar Tagen bin ich ohne meine Metallkutte unterwegs. Die hatte ich irgendwo verloren. Da kamen mir doch diese Straßenbauer wie gerufen. Ich könnte sie mit 4 Visitenkarten bestechen und bekam dafür ne totschicke orangene Weste. Leider bemerkten sie, dass ihr Geschenk mit Blutstropfen beschmiert war (was wohl auch erklärt weshalb sie eine Weste übrig hatten). Also tauschte ich kurzerhand mit dem Kollegen rechts von mir. Nen angenehmes Aftershave umschmeichelte seine Kutte. Und schön warm war sie auch schon.

Ein schmaler Weg abseits der Straße führte ans Wolgaufer. Nen Bad bei 32 Grad im Schatten wartete auf mich. Allerdings war es auch wirklich nur im Wasser auszuhalten. Das komplette Ufer war von kleinen Obstfliegen bevölkert (die schwarzen Punkte auf dem Foto). Dieses Viehzeug krabbelt dir in sämtliche Körperöffnungen. Oder fliegt dir einfach in den schwitzigen Nacken, bleibt kleben und verendet dort. Solch unnütze Tiere.
Ich verstehe das eh nicht.
Müssten die nicht nach den Evolutionsregeln längst ausgestorben sein, bei soviel Dummheit. Deren einzige Fähigkeit als erfolgreiche Art ist deren riesige Fortpflanzungsrate!
Quantität statt Qualität?
Solche und noch ganz viel schlimmere Gedanken macht man sich, wenn man ununterbrochen von diesen Tieren gepiesackt wird. Ich gab auf, verließ dieses wunderschöne Ufer und trat den Rückzug an. Diese Viecher ließen jedoch nicht ab. Erst bei nem kleinwenig Fahrtwind war es für sie nicht mehr möglich auf der Haut zu landen. Sie klatschten einem dann einfach ungebremst ins Auge, Nase und in die Ohren.

Auch im Zelt war man nicht wirklich sicher vor ihnen. Irgendwie gelang es diesen Fliegen durch das Moskitonetz hindurch in mein Zelt einzudringen.

Impressionen aus Kamyschin
Samstag Nachmittag erreichte ich endlich meine Couchsurfingfreunde Jana und Gosch in der Nähe von Wolgograd.
Ich wusste nicht, dass die Wolga hier gestaut wird. Man spürt wie die Brücke wackelt, während nen paar Meter unter dir die Wassermassen hindurch schießen.

Die nächsten Tage werde ich in Wolgograd verbringen und folge dann der Wolga nach Astrachan wo sie ins Kaspische Meer mündet.

Soweit von mir......




Montag, 23. Mai 2016

die Radkarawane

+++ Moskau+++Ryasan+++Nischni Lomow+++Pensa+++

Am Montag verließ ich Moskau.
Traurig darüber meine Couchsurfingfreunde wahrscheinlich nicht mehr wieder zu sehen, aber auch neugierig auf das, was kommen wird. Im Gepäck hatte ich die Reste vom Frühstück mit Alexandra. Sie hatte traditionelle russische Sachen gebacken.
Dabei erfuhr ich auch, dass Fahren unter Alkohol in Russland zwischen 1500 und 3000 Euro kostet. Ich meine damit nicht die Strafe, sondern die "Gebühr" die der Beamte verlangt um ein Auge zuzudrücken. Die Preise sind bekannt.
Vergleichsweise billig ist es, in der Uni dem Professor klar zu machen, dass man ernsthaftes Interesse am Bestehen einer Prüfung hat. Das gibts schon ab 13 Euro pro Student.

Als ich aus der Stadt raus kam, merkte ich das sich die Natur verändert hatte. Während der paar Tage in Moskau ist es im Umland Sommer geworden. Überall blüht Löwenzahn und Flieder.

Dienstag Abend traf ich meine Radfreunde Sonja und Aki. Wir stiegen alle im Hotel Briz in Ryasan ab und es wurde ein feuchtfröhliger Abend.
Vielleicht an dieser Stelle ne Entschuldigung an die Mitarbeiter des Hotels:
Es tat uns schon nen bisschen leid, dass wir so viel Müll hinterlassen haben. Danke fürs wecken am nächsten Tag und so als Tip - vielleicht waschen Sie einfach nochmal die ganzen Tagesdecken. Tun sie sich selbst nen Gefallen und schauen sie nicht hinters Bett und falls sie die Löffel und den Zimmerschlüssel doch noch brauchen sollten, kontaktieren sie uns!

Die nächsten Tage wollten wir gemeinsam verbringen.
Allerdings waren wir am Mittwoch nicht so fit, so dass uns jede Ausrede recht war nicht unnötig viele Kilometer abzureißen. Deshalb ging ich mit Aki an einer Raststätte zum Friseur. Dachten wir zumindest.
Man musste in einen kleinen Bretterverschlag und erklären was man für eine Frisur haben will. Das war allerdings nur obligatorisch. In Wirklichkeit konnte dieser Kerl nur eine einzige. Immerhin überließ er uns die Wahl, welchen Aufsatz er für seine Schermaschine verwenden soll.
Er schmiss die Aufsätze ständig durcheinander, unfähig die darauf eingepressten Zahlen zu lesen. Das musste ich dann für Ihn machen.
Dieser halbblinde Typ scherte uns den Schädel mit der Feinfühligkeit eines Hufschmiedes. Er war hochzufrieden über sein Werk.
Na wenigstens einer!
Die Nächte verbrachten wir abwechselnd im Zelt oder gingen in ein Motel. Hat beides so seine Vor- und Nachteile. Zelten ist unkompliziert und bilig, allerdings sind die Mücken so aggressiv, das man es kaum aushällt. Sie verspotteten unsere kläglichen Versuche mit Mückentötolin Abstand zu gewinnen.
Die Motels sind ne interessante Sache. Hier treffen sich Brummifahrer und Dorfjugend. Wahrscheinlich sind es auch die einzigen Kneipen im Dorf.
Im ersten Motel trafen wir Ewgeni und Sehrgay. Beide rattenstramm. Mit hochrotem Kopf erklärten sie uns nicht nur einmal, dass sie in der Schule zwar Deutschunterricht hatten, davon aber nix mehr wissen.
Warum wohl?



An der Straße gibt es regelmäßig kleine Cafes, wo man Borsch oder Pommes Essen kann. Dazu nen Bier- dann rollen die letzten Kilometer wie von allein.


Die Stadt Umet lag unter einem Nebelschleier.
Entlang der Hauptstraße reihen sich Grillhäuser aneinander, die Schaschlik und ähnliches verkaufen.
Die zusammengezimmerten Baracken, die freilaufende Kühe und Ziegen und der Geruch aus Feuer, Grillfleisch und Benzin lässt einen spüren, wie weit man doch von zu Hause weg ist.


Im Motel in Nischni Lomow war gerade eine Geburtstagsfeier zu Gange. Ein Mädel feierte mit Ihren Freundinnen ihren 18. Da passen wir ja gut rein, dachten wir uns. Irgendwann fanden wir uns mitten unter Selfis schießenden Teenys, die uns kräftig mit Wodka abfüllten.
Die Woche war demzufolge ziemlich unterhaltsam. Wir hatten ne Menge Spaß und gute Gespräche.
Was treibt ihr so?

Sonntag, 15. Mai 2016

einfach nur Moskau

+++Moskau+++Москва+++Moscow+++


Eine großartige Faulenzerwoche liegt hinter mir.
Ich bin immer noch in Moskau, habe hier viel erlebt und nebenbei einige tolle Leute kennengelernt. Couchsurfing - oder CS, wie die "cool people" sagen- wird jetzt mein neues Ding. Man kann sich super bei Leuten einzecken, meistens sind sie echt nett und haben Bock darauf gemeinsam Zeit zu verbringen.

Auch mein Russisch wird ein wenig besser. Das einzige was ich aus sieben Jahren Russischunterricht mitnehmen konnte, ist die Möglichkeit kyrillisch zu lesen.
Der Rest ist dann nen Kinderspiel:

Montag war Ausnahmezustand in Moskau. Die größte Feier des Jahres stand an.
9. Mai - Tag der Befreiung.
Viele Straßen wurden gesperrt, überall war Militär und ganz Moskau war auf den Beinen. Ich unternahm einen erbärmlichen Versuch die Parade zu sehen, kam aber nicht nah genug heran. In jedem kleinen russischen Popeldorf habe ich mehr Panzer besichtigt als an diesem Tag. Fast alle erzählten mir, dass sie selbst noch nie die Parade gesehen haben, weil es fast nicht möglich ist nah genug heran zu kommen. Man muss schon gegen 6 Uhr unterwegs sein, damit man überhaupt eine Chance hat.
Meine Theorie ist ja, dass es diese Parade gar nicht gibt und im Fernsehen nur Archivaufnahmen gezeigt werden.
Apropos Verschwörungsquatsch.... ein offenes Geheimnis ist es allerdings, dass jedes Jahr vor diesem Fest über Moskau Chemikalien versprüht werden die dafür sorgen, dass es am 9. Mai auf keinen Fall regnet.

Der Feiertag endet jedes Jahr mit einem riesigen Feuerwerk und Salutschüssen im Pobedy Park. Marina nahm sich den Abend frei und wir gingen zusammen.

Meine nächste CS Möglichkeit lag weit entfernt vom Kreml. Trotzdem noch Stadtzentrum. Moskau ist so unglaublich riesig.
Um mir noch ein wenig Kultur zu gönnen blieb ich in nem Hostel nah am Roten Platz. "Nightmare 2014" hatte jemand mit nem Schlüssel in die Eingangstür geritzt.

Sightseeing
Da war ja auch noch mein Paket auf der Post. Ich wollte ja nicht, das der MAMPE schlecht wird.
Die Post liegt 15 km vom Kreml entfernt. Also absolutes Stadtzentrum.
Mein erster Versuch scheiterte daran, dass mir irgendeine Tracking-ID fehlte. Post bleibt Post und ist wahrscheinlich auf der ganzen Welt ein Fan von Bürokratie. Allerdings kein Fan von Fremdsprachen. Es dauerte schon eine ganze Weile bis mir der Securitymann die Problematik mit google übersetzen konnte.
Beim zweiten Besuch war die Post geschlossen. 9. Mai- na klar!
Also checkte ich die Öffnungszeiten, notierte mir die ID (Danke Sarah) und übersetzte schon mein Anliegen mit Google. Festen Schrittes ging ich an den Schalter, zwinkerte dem Securitymenschen zu, der mich wieder erkannte und mich anlächelte und erklärte der Postfrau das ich mein Paket holen will.
"Das ist auf dem Weg zurück nach Deutschland!"
"Nee, nee, das ist hier!" sagte ich und tippte auf die entsprechende Stelle in meinen Unterlagen.
"Nein, das kam nicht durch den Zoll. Was war den da drin?"
"... eine Flasche!?!"
"Schnaps?"
"...ähm... Ja?!?!"
"Es ist nicht erlaubt Schnaps nach Russland zu schicken!"
Der Securitymann schlug sich vor Lachen auf die Schenkel und auch die Mundwinkel der Postfrau zuckten, was einem emotionalen Ausbruch gleich kam.

Die Russen wissen halt nicht was gut ist!

Belka und Strelka, die ersten Kosmonautenhunde die nicht beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre verglüht sind

Also besorgte ich schnell nen anderes Gastgeschenk für meine Couchsurfer Freunde Anton und Kim. Die beiden leben in ner 5 Mann WG.
Kim - der sehr viel arbeitet und abends meist müde ist,
Anton - der als Journalist gerade nicht soooo viel zu tun hat und deswegen gerne lange ausschläft (ich denke es gibt da auch nen engen Zusammenhang zu der riesigen Longpaper-Sammlung in seinem Zimmer),
dem Kater "Christoph" - der abends mit zu mir ins Bett durfte,
der Katze "Koschka" - die meine Hauptverdächtige war beim Aufklären der Frage wer da neulich aufs Sofa gepinkelt hat (und sie deshalb nicht mit in mein Bett durfte)
und der Schildkröte - die erst seit drei Tagen bei den beiden wohnt und deshalb noch keinen Namen hat.
Wir saßen abends bei Wein zusammen.
Die beiden können nen paar Wörter in Deutsch. Jeder Russe kennt " Hände hoch!", "Nicht schießen!" und "Hitler kaputt!" Wahrscheinlich aus alten Kriegsfilmen.
Außerdem weiß jeder was "Ja..ja....gut!" bedeutet, da nach dem Fall der Mauer als erstes westdeutsche Pornofilme den Markt beherrschten. Man sollte hier also wissen was es bedeutet, wenn man sagt: "Ich mag deutsche Filme."

Seit Vilnius stehe ich schon mit Sonja und Aki in Kontakt. Die beiden machen eine ziemlich ähnliche Tour wie meine und beschreiben ihre Erlebnisse auf http://www.grenzenlostour.de/.
Die zwei sind echt großartig. Grundsympathische Menschen. Sie haben alle Zelte in Deutschland abgebrochen, ihre Sachen verkauft, Job und Wohnung gekündigt und wollen jetzt die Welt sehen. Riesending.
Bei Pizza Bier und Wodka gabs natürlich allerhand zu erzählen. Vor der Kasachischen Grenze werden wir uns wieder sehen.

Von Freitag bis Sonntag wohne ich bei Andrea und Natalie.
Am Freitag den 13. stromerten wir in der Nacht durchs Moskauer Zentrum um in verlassene und möglichst gruselige Häuser einzusteigen. Was ziemlich erfolglos blieb, da hier nie Gebäude lange leer stehen.
Also gingen wir Samstag professioneller vor. 80 km vor Moskau gab es mehrere verlassene Ferienlager. Das war ziemlich gut.
Selten sieht man voll ausgestattete Häuser. Meistens sind die schon alle leergeplündert. Hier gab es noch alle Möbel und Betten. Sogar der Filmprojektor im Campkino stand noch. Der Boden des Kellers war mit einer zentimeterstarken Eisschicht bedeckt. Irgendwann liefen wir dem Sicherheitsdienst in die Hände. Er hatte gute Laune, rief nicht die Polizei sondern geleitete uns vom Gelände. Nicht ohne uns vorher noch Tips für weitere unbewachte Camps in der Nähe zu geben.
Moskau ist ziemlich stark. Ich mag die Stadt und die Leute die in ihr wohnen. Deswegen fällt es mir auch nicht so leicht am Montag meine Reise in Richtung Kasachstan fortzusetzen.





Sonntag, 8. Mai 2016

die 5. Woche - auf der Schnellstraße

+++Welikije Luki+++ Gagarin+++Moskau+++

Welikije Luki war perfekt um mich auf Russland einzustimmen. Hier konnte ich nochmal schöne Essen gehen, Geld tauschen, Vorräte auffrischen, mir ne russische SIM-Karte besorgen und das Allergeilste - meine Sachen waschen lassen. Zum ersten Mal seit Berlin. Ich bin davon überzeugt, dass die die Waschmaschine nach mir nen paar mal leer durchlaufen lassen mussten, damit sie sich nicht die nächste Wäsche versauen. War ziemlich ekelig.
Auch die Anmeldung in der russischen Migrationsbehörde hat das Motel übernommen. Wenn man das nicht innerhalb von 7 Tagen erledigt, lassen die einem nicht mehr aus dem Land, man kommt über Jahre in russische Einzelhaft oder muss 50 Euro Strafe zahlen.
Da bin ich jetzt also fein aus dem Schneider.

Bis Moskau wollte ich in keinem Hotel mehr schlafen und das waren immerhin noch knapp 600 km.
600 km Schnellstraße!
Aber ich hatte ja meine Kutte, die mich wie eine leuchtende Diskokugel sicher entlang der Straßen führte. Auch ein kleiner Sonnenbrand machte meinen Schädel zu nem großen 'Achtungszeichen'.
Die nächsten Tage bestanden also aus fahren, fahren, fahren... Zelt auf- und abbauen und merkwürdige Gerichte zum Abend kochen, deren Grundlage immer irgendwas mit Instantnudeln zu tun hatte.

Die Tage glichen sich sehr. Oft erwischte ich mich dabei, wie ich ewig überlegen musste, was ich den Tagn zuvor gegessen hatte, oder wie der Zeltplatz aussah.
Geschweige denn, wie die Orte auf den Schildern hießen, an denen ich vorbei fuhr.
Händler am Straßenrand verkauften allerhand Pelz und getrockneten Fisch. Ich besorgte mir bei denen ein Glas Honig zum Frühstück. In Anbetracht der vielen Bärenfelle zog ich es allerdings vor, dass das Glas über Nacht weit weg von meinem Zelt an einen Baum schlafen musste.

So gerade und eintönig die Straße war, wurde es jedoch nie langweilig. Die Landschaft wechselte von tiefem Wald zu offenen Feldern. Oft brannte es. Ich denke die Bauern lassen die Felder kontrolliert niederbrennen, um große Waldbrände zu vermeiden.
...
Plötzlich gab es einen Riesenknall- dem Brummi vor mir flogen seine Reifen um die Ohren. Scheint hier öfters zu passieren, wenn man sich ansieht, wieviele Reifenfetzen im Straßengraben lagen. Routiniert machte sich der Fahrer ans Werk den Ersatzreifen aufzuziehen. An den Tankstellen war ich immer eine kleine Attraktion und musste erzählen wo ich herkomme und hin will.
Ich wurde mit Schokoriegel gefüttert.
Ein Mann stoppte mich mit seinem Van mitten auf der Straße. Es hatte zu Regnen begonnen und er fragte ob er mich die letzten 150 km bis Moskau mitnehmen soll.
AUFKEINENFALL!!!
Nur noch 150 km!!!
Er zeigte Verständnis und fuhr nicht, ohne mir vorher eine Brause aus dem Fenster zu reichen. Man muss da vorsichtig sein. Am Anfang habe ich mich immer über die entsorgten Plastikfkaschen neben der Straße gewundert, die bis zum Rand voll mit Apfelsaft waren. Irgendwann hab ichs dann kapiert.
Vielleicht hat es bei solch einem Stunt auch den Truck entschärft, der ein wenig vom Weg abgekommen schien.
Ups!

Ich machte gerade Pause in einer Bushaltestelle als ich von Weitem einen schwer beladenen Radreisenden sah. Voller Gepäck und eifrig am strampeln.
Der erste Leidensgenosse auf diesem Trip. Ich sprang auf und winkte im zu.
Er winkte zurück und hatte brauste vorbei.
Ohne kurz zu schnacken. Ohne zu fragen ob alles ok ist, ohne zu erzählen, wo er herkommt.
Ich war enttäuscht.
So ne dumme Sau!
...
Das Highlight der Strecke war die Stadt Gagarin. Benannt nach dem Sohn der Stadt. Ich hatte vorher in dem Buch "Berlin-Moskau" von Wolfgang Büscher darüber gelesen. Es war eine Pflicht das Museum zum Kosmnauten anzuschauen. Eine ältere Dame gab sich viel Mühe beim Erklären der Ausstellungsstücke.
In bestem Russisch.
Ziemlich hartnäckig. Bis sie glaubte ich habe es kapiert. An den wichtigsten Stellen musste ich Fotos machen. Beim Verlassen flüsterte sie Ihrer Kollegin zu: "on nietschewo nje panimaet" -"Er hat nix verstanden!".

Moskau ist in wilder Vorbereitung auf den "Tag der Befreiung" der hier mit einer Militärparade am 9. Mai gefeiert wird. Überall Plakate, Helikopter und Polizei.

Samstag hatte ich meine erste Nacht als Couchsurfer. Bei Marina und Christoph. Nen Pärchen- beide sprechen super deutsch.
Wir haben zusammen gekocht und nen paar Bier getrunken. Es tat gut endlich wieder etwas Gesellschaft zu haben.
Ich meine, ich komme allein ziemlich gut mit mir zurecht, fühle mich nicht einsam oder so, aber mit netten Leuten nen ganzen Abend zu verbringen, die einem viel über Ihr Land und ihr Leben erzählen können, ist schon richtig klasse.
Zukünftig werde ich dieses Konzept zu übernachten vorziehen.
Soweit erst mal von mir.
 ...
Noch ne Bitte:
Falls jemand mir nen paar Spielfilme schicken kann- max 700 MB- wäre ich sehr dankbar. Ich schaue im Zelt gern noch nen bisschen und fühle mich im Moment im Stande alle Ottofilme aus dem Gedächtnis nach zusprechen.
Bis bald
Christian

Sonntag, 1. Mai 2016

die vierte Woche - auf nach Russland

+++Riga+++Aglona+++Grenzübergang Terehova+++Welikije Luki+++

AUF ZUM REVOLUTIONÄREN ERSTEN MAI!!!
Solidarische Grüße sendet euch euer Genosse aus dem roten Bruderland Russland!



...
Aber der Reihe nach!
Letzten Samstag bin ich spät abends in Riga aufgeschlagen. Samstag abend- ich hatte das Gefühl die ganze Stadt war blau. Deshalb wunderte ich mich auch nicht über die Traube von Menschen die da rauchend vorm Hostel standen. Ich musste mich erklären. Wo ich herkomme- wo ich noch hin will.
"Ich arbeite auch manchmal in Bayern!" lallte einer.
"Ich fahre dort mit Elektroautos!" 
Cool... ich kramte schon in meinem Kopf nach englischen Übersetzungen für 'Teststrecke' , 'Fahrzeugerprobung' und  'Erlkönig' als er fortsetzte: 
"Ich muss damit übern Friedhof fahren und den Rasen sprengen."
...
Die nächsten Tage merkte ich, dass das sein alltäglicher Zustand war. Generell war das kein typisches Tourihostel.Die Leute die ich traf schienen dort schon eine Weile zu wohnen.  Aber alle super nett. So erfuhr ich auch, dass deutsche Unterschichtsserien wie 'Medicopter 117' und 'Alarm für Cobra 11' der Renner in Litauen sind.

Riga war ziemlich kalt. Es regnete, schneite sogar. Ich verkroch mich in mein gemütliches Hostelbett in meinem 8-Mann-Zimmer, in dem ich mal wieder der einzige Bewohner war. Dienstag wurde es besser und ich unternahm einen Ausflug zum Ethnographischen Museum. Hier wurden Häuser, Kirchen und Mühlen aus den umliegenden Dörfern wieder aufgebaut. Teilweise stammten diese aus dem 17. Jh. Alles sah aus wie aus der Serie 'Unsere kleine Farm' in der Charles Ingalls in jeder Folge mindestens einmal weinen musste. Also das wüsste ich, wenn ich sie mir anschauen würde.

..  und dann, das hatte ich Mampi versprochen, zeigte ich ihm das Meer...

Das Wetter wurde nicht besser. Also verkroch ich mich ins Museum. Es ging sehr viel um Krieg und deutsche sowie russische Besetzer. Die Dali Ausstellung nebenan war herrlich verstörend. Am liebsten sind mir seine Performance Videos, in denen er auf einer Steilklippe steht, aus einem überdimensionalen Ei springt und rote Farbe aus diesem schöpft oder ein Schwein blutrot anmalt und mit Briefmarken beklebt.

Um dem Wetter zu entfliehen ging ich in die Sauna. Erst nach der zweiten Runde merkte ich, dass diese gar nicht so textilfrei war wie ich annahm. Und wie ich war.

Ich musste wieder raus aus Riga. Strecke schaffen. Bis nach Moskau sind es knapp 900 km. Also standen mir ein paar Tage im Zelt bevor. Letzte Nacht wurde ich beim schwarz-zelten erwischt. Nen mittelgroßer schwarzer Hund stand in respektable Entfernung vor meinem Zelt und versuchte mich zu verbellen. Einige Stunden. In der Nacht war er ziemlich nah, aber es war zu spät um nochmals abzubauen. 
Am Morgen war er verschwunden- sein Glück!!

In Aglona gibt es die schönste Basilika im Land. Für ein kleines Zwischenhighlight nimmt man den Umweg in Kauf. Ich kam mir ziemlich unpassend vor als ich den Leichenwagen vor der Kirche sah. Aber nun war ich schonmal hier- dann guck ich mir das auch an. Im Hauptgebäude war allerdings normaler Gottesdienst. Ziemlich anstrengend die ganze Prozedur. Andauernd muss man aufstehen; manchmal auch singen. Ich hab natürlich kein Wort verstanden, aber ausgesprochen pathetisch meine Lippen zum Gesang bewegt - damit keiner was merkt.

Aus Angst vor den Schnellstraßen in Russland und den unkonzentrierten Brummifahrern hab ich mir ne 1A-Hells-Angels-Like-Metalkutte besorgt. Hoffe das hilft...



Ansonsten geht's mir ziemlich gut. Das Radfahren macht mir noch Spaß. 
Nächste Woche will ich in Moskau sein. Hierfür suche ich mir jetzt ne Couchsurfing-Gelegenheit (keine 8-Mann-Solo-Zimmer mehr). 
Hat da jemand Erfahrung?
Schreibt mir mal nen paar Tips- oder irgendwas anderes!
Bis bald
Christian