Dienstag, 27. September 2016

Höhenkrank im Himalaya

 +++Delhi+++Manali+++Leh+++Srinagar+++Dharamsala+++

Ich musste bis Donnerstag warten bis ich meine letzten zwei Flaschen MAMPE erhielt. Diana hatte sie im Gepäck als ich sie frühs bei zeiten vom Flughafen abholte.
Wir fuhren zur Autovermietung, unterschrieben einen Stapel Papiere, unterzogen uns einer Belehrung und steuerten endlich unseren SUV zum Hostel um es mit Früchten, Wasser und Schnaps zu beladen.
Es war gar nicht mal soooo eine Spitzenidee, dass ich das erste Mal mit einem Rechtslenkerauto in Delhi zur Rushhour über die Bazaare fuhr. Fahre ich zu zimperlich, komm ich nicht voran und die Rikschas und Scooter hinter mir flippen aus. Fahre ich aggressiv, schiebe ich die Rikschas und Fahrräder vor mir von der Straße. Nur eineinhalb Stunden und zwei kleinere Kollisionen später verließen wir endlich den Großraum Delhi.

Unser Himalaya Abenteuer begann.

Die ersten Ausläufer des Gebirges und stellen uns vor die Tatsache, dass unsere Route Leh- Srinagar- Dharamsala- Delhi ziemlich ambitioniert war. Diana hatte die Planung im Vorhinein übernommen. ich kenne sie ja jetzt schon nen paar Jahre und weiß, das sie bei solchen Unternehmungen immer sehr optimistisch ran geht. Die letzte Tour die sie plante war ne Wanderung im Schwarzwald, die wir nur unter Einnahme harter Drogen geschafft hätten. Wir waren damals froh als am Ende der vier Tage die Hälfte der geplanten Strecke hinter uns lag und kürzten den Rest mit dem Bus ab.
Im Himalaya gibt es keine Abkürzungen.
Soviel dazu.

Durchschnittlich kraucht man mit ca 40 km/h in den Serpentinen herum. Alles dauert länger als gedacht. Allerdings ist das Fahren keineswegs lästig. Die Straßen sind ne Herausforderung und die zerklüftete und lebensfeindliche Landschaft ist der Hammer.
Der Rohtang Pass (3900 m) zählt als gefährlichste Straße der Welt. Bilder von herabstürzenden Trucks, mit Felsen blockierten Wegen und tiefen Abgründen schossen uns durch den Kopf. Ziemlich ernüchternd war dagegen dieses Abenteuer. Das gefährlichste was passieren kann ist, dass man sich keine Erlaubnis für den Pass besorgt hat, und der Ranger einen deswegen nicht fahren lässt. Die Straße war über lange Strecken ziemlich gut asphaltiert und machte nen sicheren Eindruck. Nervig waren nur die Mega -Kollonnen mit Militärfahrzeugen, die uns entgegen kamen und deren Anblick auf unserer Tour zum ständigen Begleiter werden sollte. In der Kaschmirregion herrscht seit über 70 Tagen Ausnahmezustand. Grund dafür waren Proteste der Kaschmirbewohner und deren blutige Auflösung durch das Militär bei denen über 70 Leute erschossen wurden und mehrere hundert verletzt. Einige Ortschaften sind nun komplett vom Militär kontrolliert. Mehrere Personen erhielten eine Ausgangssperre und müssen fürchten erschossen zu werden, wenn sie dagegen verstoßen. Das komplette Handynetz ist abgeschaltet und funktioniert nur sporadisch. Trotzdem verbreiten sich Nachrichten aus der Region rasant. Man erzählt sich von Übergriffen durch das Militär, vergewaltigen Frauen und erschossenen Kindern. Auf unserer Reise hatten wir das Glück uns von unterschiedlichsten Leuten über diesen Konflikt erzählen zu lassen. Indische Hindus sowie Buddhisten oder Muslime aus der Kaschmirregion.
Die Krise ist alt, kocht aber ständig wieder hoch und ist einer der Hauptgründe weshalb sich die beiden Staaten, Pakistan und Indien, gegenseitig mit Atomwaffen drohen.


Die Straße nach Leh führt auch über einige weitere Pässe. Bis zu 5300 m hoch, wo wir mit dem höchsten MAMPE der Welt anstießen. Eigentlich dachte ich, dass mir die Höhe bestimmt keine Probleme mehr machen wird. Ich hab ja genug Zeit in Pakistan und Kirgistan im Gebirge verbracht. Außerdem konnten wir die Etappen so planen, dass wir nie in zu großer Höhe schlafen mussten. Es erwischte uns trotzdem. Wir machten den Fehler und recherchieren vorher über "Höhenkrankheit" und so warteten wir nur darauf, das sich die Symptome bei uns einstellten. Wir schmissen Tabletten gegen die Kopfschmerzen, welche langsam aufzogen. Ein Mittel gegen Antriebslosigkeit und Bauchschmerzen hatten wir allerdings nicht.
Wir waren müde.
In einem Hotel checkten wir ein, schleppten unsere Sachen ins Zimmer und erwischten uns wie wir zwei Stunden später auf dem Bett aufwachten. Die Schuhe noch an. Die Zimmertür sperangelweit auf. Der Körper brauchte Erholung. Auch aßen wir kaum noch was. Bei dem Gedanken an ein Rührei mit Toast wurde mir schlecht. Das ganze hielt so ein bis zwei Tage an.

In Leh angekommen fühlten wir uns akklimatisiert und belächelten die Sauerstoffflasche, die unser Hotel bereit hielt. Allerdings gelang es nie, auch nur ein paar Treppen zu steigen ohne jappsend oben anzukommen. Die Luft war zu dünn. Trekking in Leh - der Hauptgrund für den Tourismus hier- fiel deshalb flach.

Der höchste befahrbare Pass der Welt lag zwei Stunden entfernt. Sollten doch nicht wir uns quälen - nehmen wir eine Bullet! Tapfer fuhr sie uns auf 5700 m, nicht ohne uns spüren zu lassen, das auch ihr die Luft knapp wird.
Auf dem Pass stand ein Schild: "Längerer Aufenthalt als 20-25 Minuten kann gesundheitsschädlich sein. "
Wahrscheinlich werde ich in meinem Leben nie eine größere Höhe erreichen. Auch wenn es mir hier auf dem Khardungla Pass ziemlich gut ging. Ich hatte keine Beschwerden. War ausgelassen und glücklich. (Euphorie- war das nicht auch ein Symptom?)

Der nächste Tag führte uns aus Leh, welches sich als kleine Backpackeroase im Himalaya präsentierte. Die Religion und somit das Straßenbild wechselte. Bunte buddhistische Dörfer umsponnen mit Girlanden aus Gebetsfahnen wurden von muslimischen Bazaarszenen, verhüllten Frauen und langbärtigen Männern abgelöst.
 "Alles Taliban!" stellten wir fest.
...
An einigen Tagen mussten wir uns sputen nicht in die Nacht zu kommen, an anderen trödelten wir rum und hielten wo es uns gefiel. Ein Gletscher reichte beinahe bis zur Straße. Die massive Erscheinung täuscht. Unter dem Gletscher fließt ein Bach, der gewaltige Eishölen bildet und die sich an mancher Stelle zeigten.

Nen bisschen mulmig war mir schon darauf rumzuklettern. Allerdings nicht halb so schlimm wie die letzten Kilometer dieses Tages. Die Straße führte an einer steilen Wand entlang. Rechts ragte der Berg in die Höhe, links war ein Abhang von mehreren hundert Metern. Hier hatte ich nix zu suchen. Irgendwie niemand.
"Wenn wir hier von der Straße abkommen, rollen wir nicht den Berg runter. Wir werden einfach nur fallen."
Zum Glück war es eine Einbahnstraße. Miese Ausweichmanöver mussten wir nicht fahren. Wäre auch auf dieser schmalen Piste nicht möglich gewesen. Mit ganz viel "Aaaaaalter! Sieh dir das an!!!" ...und ... "Das ist zu krass!!!" erreichten wir Sonamarg.

Eine touristische Stadt ohne Touristen. Die leerstehenden Hotels sind im Fachwerkstil erbaut, was den Ort wie eine kleines schweizer Dorf wirken lässt. Hier sollten wir die Nacht verbringen, bevor es durch das gefährliche Kaschmirgebiet geht.Die andere Hälfte des Dorfes sind Militärkasernen. Ganz ohne Fachwerk. Ich fühlte mich bei soviel Waffen nicht wirklich sicher und träumte von der schweizer Alm.
"Ab Sonamarg müsst ihr 90 km durchfahren. Haltet nicht an! Das Gebiet ist gefährlich! Die Kaschmirbewohner freuen sich gewiss über Touristen, allerdings hassen sie die Inder."
Man gut, dass wir mit unseren Delhi-Kennzeichen schon von Weitem zu erkennen waren. Um nicht für Inder gehalten zu werden setzten wir unsere Entdeckerhüte auf, die so dämlich waren, dass wir hofften die Leute damit zu verwirren.
Die Strecke war voller Militär. Beinahe wollten sie uns nicht durch Srinagar- fahren lassen. Bei einigen Kontrollen vergaßen wir die Hütte abzunehmen und wunderten uns nur über die albernen Soldaten die uns auszulachen schienen. Es war eine unangenehme Situation. In manchen Dörfern standen alle 50 m ein Militärposten. "Auf drei Anwohner kommt ein Soldat." Alle Geschäfte waren geschlossen. Die Straßen schienen belebt und zeitgleich tot.

Wahrscheinlich war auch der öffentliche Transport verboten. Keine Rikschas - keine Busse! Die Bewohner versuchten jedes mögliche Auto anzuhalten um mitgenommen zu werden. Plötzlich fiel der erste Stein auf unser Auto. Wir hielten nicht an. Es waren zu viele Leute auf der Straße. Später rannten Kinder mit Steinen bewaffnet hinter unserem Auto hinterher. Ich wollte hier weg.
"Ihr fahrt dann durch einen Tunnel hindurch und lasst damit Kaschmir hinter euch. Dort ist wieder alles friedlich." Wurde uns vorher erklärt. Und so war es auch. In einem kleinen verschlafenen Städtchen verbrachten wir den Abend.
....
In der Stadt war Rummel. Es gab ein viel zu schnell drehendes Riesenrad, Büchsenwerfen und ne Zaubershow. Als wir da auftauchten war es eine Szene als ob jemand eine Schallplatte anhält und einige Flutlichtstrahler auf uns richtet. Wir waren die Attraktion. Vom Riesenrad wurde herunter gerufen und die Leute versammelten sich um uns. Wir flüchteten in die Zaubershow, bei der der Magier gerade seine Assistentin in einer Box verschwinden ließ. Ziemlich elegant wie sie durch den doppelten Boden kroch.
Am Ende der Show wartete eine johlende Meute auf uns vor der Tür. Wir traten die Flucht an.

Dharamsala heißt der Ort in den der Dalai Lama mit seiner Gefolgschaft aus Angst vor den Chinesen flüchtete. Heute gibt es dort mehrere buddhistische Tempel und alles was der Backpacker benötigt. Vom Souvenirladen bis zum Tattostudio und 3D Sesseln. Die Frage, ob so etwas auch in der Vatikanstadt möglich wäre drängt sich auf. Die wahre Schönheit der Stadt zeigt sich erst, wenn man etwas in den Norden spaziert. Kleine Gästhäuser kleben am Hang und beherbergen lustige Touristen
"Die sind hier angekommen!" sagt Diana und nickt zu dem Männerpäärchen herüber. Beide erinnern an einen 40 jährigen Dirk Bach in buddhistischen Gewandt. Auch einige Frauengruppen sind unterwegs und genießen ihren goldenen Herbst. Ich muss an meine damalige Deutschlehrerin denken - eine alles dramatisierende Frau um die 60 mit Theaterdauerkarte. Würde mich nicht wundern wenn die mit ihren Chormädels hier auftaucht.
Die letzten Rupees verprassten wir beim Souvenirhändler. In ner kleinen Runde saßen wir zusammen und quatschen. Nebenbei würde er ein paar Ketten an uns los. Er war nen kleiner Motorradfanatiker und so hatten wir schnell ein Thema. Natürlich fährt er Bullet.
"Der Klang ist einmalig!" schwärmte er.
"Kraftvoll und meditativ. Es ist genauso wie wenn man eine Klangschale anschlägt. Wenn der Ton langsam erlischt hört man das pulsierende Blubbern der Enfield!"
Er stand auf, holte die größte Schale, dir er im Laden hatte und ließ sie erklingen.
Gemeinsam warteten wir auf den Ton.

Dienstag, 20. September 2016

riding the bullet

Noch immer treibe ich mich in Indien herum. Das Land mit den freundlichsten Hakenkreuzen der Welt.
...
Delhi ist überwältigend.
Überall sind Menschen und der Verkehr bildet einen eigenen Organismus der sich durch die Gassen quetscht. Nirgends kann man verweilen. Begibt man sich auf die Straße wird man sofort zu einem Teil dieses Verkehrs. Stehen bleiben und verweilen ist nicht möglich. Kein Wunder, dass ich ständig von Straßenhändler aufgefordert werde in ihr Geschäft zu kommen. Zumindest in der Ecke rund um mein Hostel. Hier treiben sich verdammt viele Touristen rum und die Händler haben sich darauf eingestellt. Man findet alles was der Backpacker benötigt. Fancy Batik-Shirts, Che Guevara Flaggen, Haschpfeifen., Nutella und Klopapier.

In meinem Zimmer traf ich auf Karsten aus Baden Württemberg. Er liebt das Reisen, ist gern unterwegs und will Land und Leute kennen lernen.
"Wie wars am Taj Mahal?" wollte ich wissen.
"1000 Rupees..." sagt er "... und des nur weil de Turischt bist! "DIE" hänn viel weniger bezahlt."
Mit "DIE" meinte er immer "Inder".
"Und damit nicht genug- Busfahrt war auch teuer! Und zu essen gabs nichts. Des Essen von "DENEN" kannste eh nicht essen. Auch alles dreckig hier! ... und überhaupt!"
Beinschmerzen hatte er auch, woraufhin er sich gleich ne Überdosis von irgendwelchen Schmerzmitteln reinpfiff. Die Nacht verbrachte er dann kotzend auf dem Klo.
"Desch kommt von dem Essen, weisch?"
Zwei Tage später brach er seine Reise ab und flog nach Deutschland zurück.
Ich bin mir sicher, Indien wird ihn nie wieder sehen.

Es nagte an mir, dass ich nicht mehr genug Zeit hatte mit dem Rad weiter nach Agra zu fahren um das Taj Mahal zu sehen. Das wäre alles zu knapp. Also entschied ich mich für das einzig Sinnvolle.
Ich mietete mir eine Royal Enfield 500 - das beste Motorrad Indiens - für nen Abstecher nach Agra. Diese Maschinen sind ein Überbleibsel der britischen Besetzung und haben sich auch seit deren Ende kaum verändert.
So vor mich hinblubbernd fuht mich meine "Bullet" durch hektische Dörfer und an Reisfeldern vorbei. Ständig brachte sie fitschende Fehlzündungen heraus. Erst spät abends kam ich in Agra an und mache mich auf die Suche nach nen paar Straßensnacks.
Ich fiel dort wieder auf wie ein bunter Hund. Selbst hinter meinen Rücken wurde über mich geredet. Zig Touristen verirren sich nach Agra- die Menschen sollten sich doch daran schon gewöhnt haben.
Der Grund war aber nen anderer.
Tatsächlich brauchte es den Rezeptionisten im Hostel, der mich darauf hinwies, dass ich rumlaufe wie ein Schwein! Mein Gesicht war rabenschwarz vom Staub der Straße.

Am nächsten Morgen schaute ich mir das Taj Mahal und das Agra Fort an. Schon beeindruckend, aber auch irgendwie genau so wie man sichs vorstellt. Am faszinierendsten ist die Akustik im Mausoleum des Taj Mahals. Man hört jeden Schritt, jedes Getuschel und jede Münze, die als Spende auf die Gräber geschmissen werden. Irgendwo hab ich auch gelesen, dass sich in diesem Raum das Echo bis zu 28 Sekunden hält.

Die Bullet brachte mich wieder sicher nach Delhi. Rechtzeitig genug um Diana zu treffen. Zusammen wollen wir mit nem Auto ins Himalaya Gebirge. Allerdings ließ sie auf sich warten. Anscheinend gefiel ihr es in Abu Dhabi so gut, das sie dort drei Tage abstieg. Ich verbrachte die Zeit damit durch die Bazaare Delhis zu stromern und Vorräte für den Trip zu besorgen.

Sonntag, 4. September 2016

Delhi - Delhi - Popelhi

+++Lahore+++Wagah Grenzübergang zu Indien+++Amritsar+++Narwana+++New Delhi+++


Lahore verließ ich am Sonntag.
Natürlich nicht, ohne vorher einen Abstecher zur Badshahi Masjid Moschee zu machen. Ein wunderschöner Bau mit weitläufigem Vorplatz. Irgendwie schaffen es echt viele Religionen ihren Gebetshäusern einen Character der Begegnungsstätte zu verpassen. Durch freie Flächen und ruhige Ecken und Winkel, in denen man sich zurück ziehen kann. Dagegen wirkt jede katholische Kirche wie Frontalunterricht.
Anschließend deckte ich mich beim Eis- und Süßigkeitendealer ein.

30 km hinter Lahore liegt die Grenze zu Indien, die aufgrund der Spannungen zwischen diesen Ländern auch als Berliner Mauer Asiens bezeichnet wird. Jeden Tag findet hier die zeremonielle Wachablösung statt. Eine Stimmung wie im Fußballstadion. Die Zuschauer, die sich auf die eigens für dieses Spektakel angelegten Tribüne stopfen, schwenken Fahnen und singen Lieder. Einige sind in den Nationalfarben amgemalt.
Der Anheizer erklärt, an welcher Stelle alle ausflippen müssen und stimmt Fangesänge an. Ein Man mit einer Kühlbox voll Eis quetscht sich durch die Menge. Dann kommen die Artisten, verkleidet als Soldaten mit Zirkuspferdmütze. Befehle werden geschrien, Trommeln ertönen und ein oder zwei Darsteller laufen im Stechschritt auf die beiden Grenztore zu.
Die Menge flippt aus, so wie wir das geübt haben.
In dem Moment als man denkt "Jetzt läuft er gleich ins Tor!" stoppt er und tritt sich mit seinem eigenem Schienbein vorn Kopf. Die Mütze bekommt einen Knick. Das wiederholt sich nen paarmal bis alle Leute applaudieren und auf die Straße stürmen.

Amritsar heißt die erste Stadt in Indien und ist berühmt für sein Bier.
Also vielleicht nicht weltberühmt.
Für Leute wie mich, die aus Pakistan kommen, genügt die Tatsache, dass es überhaupt welches gibt.
Der größte Tempel der Sikh liegt im Zentrum der Altstadt, umgeben von den stressigen Bazarstraßen. Harmandir Sahib oder auch - der goldene Tempel.
Irgendwo hatte ich gelesen, dass es möglich ist in diesem Tempel für einige Nächte unterzukommen. Klare Sache, dass ich das machen werde.
Sikhs tragen Turban und Dolch. Sie schneiden sich nie die Haare oder den Bart, weshalb sie alle 20 Jahre Alter aussehen. Sie sind häufig Vegetarier und verzichten auf den Konsum von Drogen. Noch nicht mal nen kleines Bierchen! - soviel dazu.
Betritt man den Tempel muss man seine Schuhe ausziehen und seine Haare bedecken. Man steigt durch eine kleine Pfütze, um seine Füße zu reinigen. Einige Pilger schöpfen ein wenig dieses Fußwassers ab und nehmen es mit. Hier beginnt also schon das Heilige. Der Tempel selbst ist ein beeindruckender Komplex aus Marmor und Gold. Ein vergoldestes Gebäude steht in der Mitte eines Fußballfeld-großem Wasserbasins.
Allerdings ist es kein Wasser sondern Nektar - heiliger Nektar. Leute baden darin um die Heilkräfte dieses Nektats zu empfangen. Ich treffe dort Sahel, der mich herumführt und mir einiges erklärt.

Der goldene Tempel wurde von Gott gebaut. In diesem befindet sich das heilige Buch der Sigh. Männer sitzen um dieses Buch und streichen mit einem Bündel aus Federn über die Seiten. Im gleiche Raum sind weitere Leute, die Melodien auf ihren Trommeln und Instrumenten erzeugen und dazu singen. Den ganzen Tag lang.
Wirkt alles sehr meditativ.
Dieser Gesang wird über Lautsprecher übertragen und durchflutet die gesamte Anlage. Tritt man aus diesem Gebäude heraus und läuft über eine Brücke zurück zum Beckenrand so empfängt man dort die Hostien.
Mit beiden zum Himmel geöffneten Händen tritt man vor einen alten Mann, der in eine Riesenschüssel voll braunen Pamps greift und dir eine Handvoll überreicht. Irgendein warmer süßer Brei. Dieser verklebt dir sofort die Eingeweide, der Zucker macht dich glücklich und die Wärme tut dir gut. Und das alles in diesem ruhigen und reinem Platz. Die Hektik der Bazarstraßen dringt hier nicht herein.
Perfekte Konditionierung!
Im Tempel ist alles kostenlos. Schlafen, trinken, essen.
Ein Kantinenkomplex speißt täglich 20 000 Pilgerer. Man setzt sich in Reihen auf den Boden. Leute laufen durch diese und werfen dir ein oder zwei Chapatibrote auf deine zum Himmel geöffneten Hände. Andere tragen eimerweise Bohnenmus oder Milchreis und bestücken damit deinen Teller. Also wenn ich mir dann mal irgendwann eine Religion aussuchen muss, kommt Sikh in die engere Auswahl.

Der Tempel ist ständig geöffnet. In der Nacht erstrahlt die gesamte Anlage. Die Luft kühlt sich zunehmend ab und die Pilger legen sich zum schlafen an den Beckenrand.


Nach zwei Tagen verlies ich den Tempel und brach auf zur letzten Radetappe nach Delhi. Noch knapp 500 km. Die letzten 500 wurden auch die entspanntesten 500. Mit dem Bewußtsein, das die Tour sich dem Ende nähert, genoß ich jeden Tag. Ich schlief nur in Hotels - kein Zelt mehr- und hielt ständig an um mir was leckeres zu Essen zu kaufen. Ziemlich abhängig bin ich von diesen indischen Süßigkeiten aus eingedickter Milch geworden. Burfi. Dazu ein oder zwei zuckersüße Milchtee.


Ich nutzte die Tage zum auf meine Tour zurück zu blicken. Auf die Länder und Leute die ich kennen lernen durfte und tröstete mich damit, dass Sie ja noch nicht ganz zu Ende ist. Noch habe ich ein paar Tage in Delhi, bis ich Diana treffe und mit ihr zu einer Tour in den Norden Indiens aufbreche.