Dienstag, 30. August 2016

Das Geheimnis Pakistans

+++Abottabad+++Islamabad+++Gujranwala+++Lahore+++


Das Alien ist immer noch unterwegs in Pakistan.
Perfiderweise hab ich jetzt Strategien entwickelt, um weiterhin in Ruhe radeln zu können. Ich vermeide Blickkontakt, der Gesprächsbereitschaft signalisieren könnte, meide überfüllte Plätze und stelle immer gleich klar:
"Ich spreche kein Urdu!" - die Landessprache Pakistans.
Das hilft so mäßig.
Außerdem heiße ich jetzt immer Alex - um nicht sofort in die Diskussion kommen:
"Ah du heißt Christian - bist du auch Christ?"
Und meine Radtour führt mich nur von Islamabad nach New Delhi - ne 14 Tage Tour. Das wirkt weniger interessant, bilde ich mir ein. Auch gebe ich meine WhatsApp Nummer oder meinen Facebook-Kontakt nicht mehr raus. Zumindest nicht den richtigen.
Eines Abends, ich war froh einen einigermaßen blickdichten Zeltplatz gefunden zu haben, löschte ich immer das Licht bei herannahenden Fahrzeugen und verhielt mich schaurig. Zelte ich allein bin ich immer übervorsichtig. Ich habe keine Lust auf Leute zu treffen, die einen die ganze Nacht belagern und ihren Freunden vielleicht noch ihre Entdeckung zeigen wollen. Vor allem, weil man so eine Situation nur aussitzen kann. Zelt wieder abbauen und flüchten ist keine Alternative.
Ich harre also in meinem Zelt, auf jedes Geräusch achtend, als plötzlich mein Handy klingelt.
Irgendein Pakistani, dem ich meine Nummer gab. Ich kann mich nicht mehr erinnern und gehe nicht ran.
Er schreibt mir daraufhin:
"Hey... Hallo... ich kann dich sehen!"
Super gruselig!

Trotzdem halten immernoch viele Motorradfahrer neben mir und quatschen mich voll. Auch egal, ob sie mir dabei so nahe kommen, das sich ihre Fussrasten in meinen Speichern verfangen.
"Wo kommst du her?- Wo willst du hin?"
Einer war ein wenig kreativer.
Er fragte mich: "Willst du Sex?"
"Wie Bitte?"
"Ob du Sex wilst? - Ficken?"
Fährt der in seinem traditionellem Kostüm bekleidete Kerl neben mir und macht mir so ein Angebot! Groteske Situation. Ich musste laut lachen!
"Ich würde dich auch bezahlen!"
"Sieh zu dass du verschwindest!" gab ich zurück, ohne den Preis abzuwarten, der mich ehrlich gesagt schon interessiert hätte. Nicht dass sich meine Meinung geändert hätte, wäre nur interessant meinen Marktpreis zu wissen.
...
(Ich grinse gerade vor mich hin - weiß ich doch genau, das mein kleiner Cousin regelmäßig diesen Blog meinen Großeltern vorlesen muss. Und mein schwerhöriger Opa sagen wird:
"Was schreibt der Junge da?"
Cousin:"... ficken..."
"WAAAAAS?" ... an seinen Hörgeräten herumdokternd
"FICKEN, ...OPA... FICKKK- KENNNN..!")
...
Diese Begegnung öffnete mir allerdings die Augen. Jetzt verstehe ich, warum es soviele alleinreisende Jungsgruppen gibt. Kerle die Hand in Hand, oder auch eng umschlungen auf der Straße laufen. Die Komplimente über meine Augen und meine Ohrringe erscheinen mir jetzt in nem anderen Licht und jetzt bin ich mir auch ziemlich sicher, das es doch kein Übersetzungsfehler war, als der Straßenhändler mir hinterher rief
"I love you!"
Oh man. und ich fand es noch lustig als ich ihm keck mit "I love you too, babe." geantwortet habe. Wahrscheinlich ist es denn Männern hier einfach gelungen eine frauenlose Gesellschaft zu errichten.
Eine riesengroße Gay-Community.
...
(Opa: "Eine was?"
Cousin"...Gay-Community..."
"WAAAAS?"
"GAYYYY.... OPA.... DAS IST, WENN MAN SCHWUL IST!"
Spätestens an dieser Stelle werden bei den Nachbarn die Gardinen wackeln.)
...
Anfang der Woche verbrachte ich ein paar Tage in Islamabad. Ne ziemlich weitläufige Stadt, nur teilweise dicht besiedelt. Das hatte ich mir irgendwie anders vorgestellt. Alles wirkt hier sehr sicher und beschützt. Viele Häuser haben ihre eigenen Wachposten. Egal ob Bank, Cafe oder Privatwohnung überall sitzen Sicherheitskräfte mit Schrotflinten davor. Auch gibt es zahlreiche fest installierte Polizeiposten auf den Straßen. Lustigerweise alle von Pepsi-Cola gesponsert.


So richtig war mit nicht klar was in Islamabad zu tun ist. Es gibt keine richtige Altstadt oder so. Also machte ich eine Werkstatt ausfindig, die diese wunderschönen pakistanischen Trucks bemalt und vertraute diesen mein Rad an.
- "pimp my bike" - Ich bin immer noch ziemlich glücklich über das Ergebnis. Ich finde es echt gelungen.

Um noch ein wenig Kultur in dieser Hauptstadt aufzuschnappen besuchte ich die größte Moschee Pakistans - die Fasil Mosque. Eher an ein übergroßes Schwimmbad erinnernd kann in mir nicht so richtig Ehrfurcht für dieses wichtige Gebäude auf.
Irgendwo trieb ich dann noch ein Naturkundemuseum auf.
Das war weniger informativ aber sau gruselig!

Die letzte Etappe in Pakistan führte mich nach Lahore.
Langsam merke ich dass ich in Südasien angekommen bin. nicht nur die vielen Rikschaas die sich durch die engen Gassen des Hauses quälen, auch die Natur ändert sich. Palmen stehen am Wegesrand und Geckos krabbeln an den Gemäuern.
Die riesigen Wasserbüffel sind allerdings mein Favorit. Fett wie Nilpferde und mit ihren Hörnern, die an BWL-Studenten im dritten Semester erinnern, stehen sie im Sumpf und beobachten dich. Ihre Augen sehen nicht so treudoof aus wie bei Kühen- sie haben etwas wildes, etwas katzenähnliches.

Beim Radeln hab ich jetzt ne neue Taktik, mit der ich noch schneller unterwegs bin.
Ist es mir zu anstrengend, geht's bergauf oder habe ich Gegenwind, so hänge ich mich einfach an einen der vorbeifahrenden Trucks und lasse mich einige Kilometer ziehen. Camouflage-mäßig verschmilzt ja jetzt mein Rad mit den Malereien auf den Trucks.

In Lahore traf ich auf Tahira, die mich in ihrer WG unterbrachte. Sie hatte auch gerade Besuch von Freundinnen aus Karachi, und so war es geritzt, das wir am nächsten Tag gemeinsam die Stadt besichtigen. Einige der Mädchen haben nen paar Jahre in den Staaten gelebt. Sie waren sehr aufgeschlossen, emanzipiert und selbstständig - entsprachen also so gar nicht dem typischen pakistanischem Frauenbild.
Vier unverschleierte Mädels und das weiße, blonde Alien ernteten nen Haufen Blicke.

Gemeinsam mit dem Bus zu fahren erklärt mit viel über die herrschenden Verhältnisse zwischen Mann und Frau. Die vorderen zehn Prozent des Busses sind für Frauen reserviert. Die Frauen haben ausreichend Platz, weil sie noch nicht einmal die zehn Prozent ausfüllen, während die Männer sich auf ihren Plätzen zusammenquetschen. Es ist aber nicht erlaubt, diese unsichtbare Grenzlinie zu überschreiten. An jeder Station stehen Sicherheitskräfte die das überwachen.
 ...
Das Wetter war diesig und passte somit zur Szenerie der Ruinen des Lahore-Forts. Alte Gemäuer die an mancher Stelle kunstvolle Strukturen offenbaren, lassen einen erahnen wie prunkvollen es hier zugegangen sein muss.



Unweit hierhin liegt der Rotlichtbezirk Lahores. Auf meine Frage, warum die Polizei das duldet, erklärte man mir, das Polizisten die häufigsten Kunden sind.
Die Tage in Pakistan sind nun gezählt.
Bald geht's nach Indien!

5 Kommentare:

  1. Wer sein Rad mit Blümchen bemalt braucht sich über solche Angebote nicht wundern !!!

    Habe übrigens für alle BWL-Studenten deine volle Adresse ins Netz gestellt.

    Dein Freund Jannosch

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  2. Adidas Gaylord Shirt, enge Radlerhosen, Blümchenrad, blond und blauäugig...welche Pakistani würde da nicht duchdrehen? ��

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  3. JANNOSCH!!! dachte du bist mein Freund. Das war dann wohl die letzte Karte die ich dir geschrieben habe!
    Grüße an den Rudel

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  4. Na sowas Frau Waberski, jetzt isses mit einem mal nen Gaylord-Shirt. Hast du mir nicht dazu geraten? Warst du es nicht der gesagt hat: "Das nimmste, weil das sieht FETZIG aus!"??

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  5. Ich kann gut nachvollziehen, dass Dir das ständige angesprochen werden zu viel wird... Vor allem, wenn man gerade ein schattiges Plätzchen zum hinsetzen gefunden hat und eigentlich nur in Ruhe essen will :) Aber so extrem wie bei Dir war es in Russland lange nicht. Viel Glück für dein letztes Land Indien auf der Tour!!! Grüße, Heinrich

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